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Contra - Teil 1

·5 min

Contra - Teil 1 #

Contra also.

In der Retro-Community hat dieses Spiel einen großen Namen. Schaut man etwas länger in den betreffenden Ecken des Internets oder anderer Medien, wo ältere Systeme aus der passenden Zeit besprochen, betrachtet und bewertet werden, taucht dieser Name unweigerlich irgendwann einmal auf.

Contra.

Es bietet sogar die Grundlage für Technikvergleiche. Die Steuerung sei sehr sensibel und daher eigne es sich perfekt zum überprüfen der Steuerkreuzempfindlichkeit moderner Handheld-Emulationsgeräte. Der bestandene „Contra-Test“, so tituliert und vielfach als Prädikat, vom sympathischen YouTuber Russ auf seinem Kanal „RetroGameCorps“, den er der Welt der Emulationsmaschinen gewidmet hat, genutzt.

Doch wie fühlt es sich an? Aus meiner heutigen Sicht im Jahr 2025: Hart. Ich habe sicher 10-15 mal auf verschiedenen Endgeräten - emuliert oder auf Originalhardware (NES) - versucht einen Zugang zu finden.

Ohne Erfolg.

Der famose, treibende Soundtrack katapultiert uns mit Nachdruck nach vorne. Nachdem der Startbildschirm mit hektischem Start-Button-Mash überwunden ist, wirft uns Contra an eine schroffe Pixelküste mit verschiedenen Ebenen und lässt den Charakter sogleich taumelnd die ersten Tode sterben.

Woah.

Wo kommen die ganzen Kugeln her? Wie soll ich hier bitte durchkommen? Springen mit A, schießen mit B. Ich ballere wild um mich. Sterbe, komme wieder, Sterbe. Vor der ersten Lücke, die mich in das kühle, tropische Nass zwingt, erreicht mich die erste Mitteilung eines „sind sie zu zahlreich, bist du zu verdammt nochmal lahm“ - Game Over.

Aua.

Da meint man ein hartgesottener Retro Interessierter zu sein und dann das. Spätestens hier haben die ersten ca. ein Dutzend Versuche geendet. „Naja, dann eben ein anderes Mal“. So ganz kann ich die Euphorie noch nicht nachempfinden. Aber das Gefühl hier etwas zu verpassen, lässt mich nicht los. Immer und immer wieder versuche ich mich daran. Das Ergebnis: Immer das gleiche. Game-Over.

Kein Bock mehr.

Es ist Anfang Juni 2025. Regnerisch, grau, eng. Den Süden Bayerns unter den Schienen. Ich sitze in einer Regionalbahn. Der vordere Bahnteil wurde gerade abgekoppelt. Technische Probleme. Fahrgäste werden in einen halbierten Zug gestopft. Hier ziehe ich meinen kleinen Handheld aus der Umhängetasche. Pokémon FireRed langweilt in diesem Moment. Ich brauche Action. „Warum eigentlich nicht“ denke ich mir und wechsle zu Contra. Es beginnt wie es eben beginnt. Kugeln, Kugeln, Kugeln. Dazu noch Kugeln, die meine müden Augen aufgrund der Mischung aus Größe, Geschwindigkeit und Farbkontrast zum Hintergrund kaum ausmachen kann. Doch heute ist etwas anders. Die Musik des Küstenlevels peitscht durch meine Kopfhörer, den Lärm des vollgestopften Zugs ausblendend. In diesem Moment nehme ich diesen auch kaum noch wahr.

Ich bin drin.

Die Gegner fallen, ich weiche aus und schieße. Schieße, Springe, Schieße und ehrlicherweise - sterbe, weiterhin. Oft. Jedoch gelingt es mir diesmal eine ordentliche Anzahl an Continues freizuspielen, die das häufige ableben erträglicher machen. An dieser Stelle ein Disclaimer für alle Retro-Hardcore Spielenden: So einer bin ich nicht. Ja ich nutze die Möglichkeiten der Emulation. Ja ich nutze Save-States. Mein Ziel ist mir ein Bild vom Spiel zu machen. Nicht mich durch das manchmal sadistisch anmutende Game-Design meiner knappen Zeit berauben zu lassen. So “ramboniere” ich mich durch den Dschungel und stehe am Ende - pixelblutverschmiert, schweißgebadet und mittlerweile ausgerüstet mit allerlei Waffenupgrades - vor einer stahlfarbenen Mauer, die mich mit weiterem unaufhörlichem Kugelhagel beharkt. Nach kurzem Austüfteln der Lösung, anhand der Treffergeräusche meiner Schüsse (es klingt anders, wenn sie Schaden verursachen) und einem zurückgeworfenen Kugelhagel meinerseits, fällt die Mauer. Ein Loch öffnet sich. Der Charakter geht hinein. Level beendet.

Hot Damn!

Da meine Auseinandersetzungen mit dem Spiel bisher nie bis zu diesem Punkt reichten war ich doch recht überrascht und kurz auch wieder einmal vom folgenden überfordert. Aber aufs Positive. Plötzlich finde ich mich in einer Basis wieder. Diesmal wird nicht side-scrollend geballert. Nein. Diesmal trennt mich ein vor elektrischer Spannung britzelnder Elektrozaun von den Gegnern und den Geschützen. Geschossen wird in den Raum hinein. Ein Gefühl von Tiefe und Dreidimensionalität macht sich breit.

Gefällt mir.

Einfach wird es dadurch nicht, doch so langsam stellt sich ein Automatismus ein. Ballern, Ausweichen, Springen und „oh hoppla“ ohne Vorwarnung zappelt mein Charakter vom Stromzaun getroffen in kurzer Stasis, bewegungsunfähig gemacht von der Elektrizität. Allen nun gebrieften Contra-Spielenden sollte die Folge klar sein:

Tod.

Das Spiel geht zwar leichter von der Hand, aber das ist meiner wachsenden Fähigkeit, nicht dem fallenden Schwierigkeitsgrad, geschuldet. Die trotzdem höhere Taktung meiner Save-States sprechen eher für erhöhte Schwierigkeit. Die Überraschung des Perspektivwechsels hat mich sehr positiv beeindruckt. Das hätte ich von dieser zuerst „stumpf“ anmutenden, links nach rechts Ballerei nicht erwartet. Chapeau! Ich ballere mich durch Wände und durchquere die folgenden Räume. Ein Raum, der offensichtlich das Ende dieses Abschnitts der wilden A-B-Orgie darstellt, enthält einen weiteren Bosskampf, bei dem ich mich kurz bei dem Gedanken ertappe, was der Leveldesigner wohl gegen Wände hat. Es beschießt mich wieder einmal eine. Ich halte drauf, bringe alles zum explodieren, was nicht sprite- und pixelfest ist.

Level complete.

Langsam beschleicht mich das Gefühl, gefunden zu haben, was Andere an Contra beeindruckt. Klar das Setting ist eines welches zur Erscheinungszeit passend ist. Die große Leinwand ist damals bevölkert von Stallones und anderen äußerst überspitzt „maskulinen“ Actionhelden. Da passt Contra zum Zeitgeist. Heute belächle ich das eher, kann aber die Begeisterung nachfühlen. Das Spiel selbst, besticht durch die Wechsel, die es von Level zu Level vollzieht. Nach dem „in die Basis hinein“ eindringen, folgt ein völlig vertikales Level. Es beginnt richtig Spaß zu machen und der Ehrgeiz sich durch diese Projektilhölle zu spielen wächst mit jeder Minute.

Eine Durchsage weckt mich aus meiner Zone. Während ich gerade den Boss des dritten Levels „Waterfall“ (einen ALIEN, keine Wand!) nach dem Erklimmen des Bergs, auf dem er haust auseinandernehme, wird meine Haltestelle angekündigt. Ich schalte den Handheld aus, packe ihn in meine grüne Umhängetasche und beginne mein Gepäck zusammenzuklauben.

Es waren insgesamt kaum mehr als 30 Minuten. Trotzdem hat es das Spiel geschafft mich in diesem Anlauf zu catchen. „Woran hat et jelegen?“. Ich weiß es nicht. Es hat einfach Klick gemacht. Etwas, das glaube ich nur das Medium Videospiel Zustande bringt. Nach häufigem Weglegen, als zu unzugänglich, zu alt, zu anstrengend abgetan, hat mich Contra nun überzeugt. Ich werde dran bleiben und es beenden. Soweit ich das sehe, habe ich nun ja schon die Hälfte hinter mir. Ich bin gespannt und freue mich auf das was noch kommt. Hoffentlich mehr Aliens. Sicher mehr Bildschirmtode und Save-States.